Flüsterdolmetschen

Wer kennt das nicht: Die Unterrichtsstunde ist mal wieder langweilig. Das wöchentliche Meeting zieht sich wie Kaugummi. Die zehnte Rede auf dem runden Geburtstag ist eine Kopie der neun vorherigen. Der halbe Saal schläft schon, auch mir fallen fast die Augen zu. Ich beuge mich zu meiner Nachbarin hinüber, nähere mich ihrem Ohr und flüstere so leise wie möglich, schließlich soll das niemand hören: „Machen wir uns heimlich aus dem Staub?“

Wir flüstern regelmäßig, damit die anderen im Raum nicht verstehen, was wir sagen. Auch beim Dolmetschen gibt es den Modus des Flüsterdolmetschens. Bedeutet das also, die Dolmetscherin spricht extra so leise, dass nur eine bestimmte Person sie versteht und das Gesagte vor den restlichen Anwesenden verheimlicht wird?

Mit Geheimniskrämerei oder Lästereien hat das Flüsterdolmetschen, auch Chuchotage (nach dem französischen Verb „chuchoter“ für flüstern) genannt, jedoch nichts zu tun. Es handelt sich um eine Unterform des Simultandolmetschens. Diese wird dann eingesetzt, wenn nur eine Person oder eine kleine Gruppe eine Verdolmetschung benötigt und es zu aufwendig wäre, eine Dolmetschkabine aufzubauen. Das kann zum Beispiel bei einem Festakt oder einer Werksführung sein. Der Dolmetscher sitzt neben oder leicht schräg hinter der Zuhörerin und dolmetscht das Gesagte live, also simultan. Dabei spricht er ihr mit halblauter Stimme direkt ins Ohr, um den Vortrag zu nicht stören.

Da gedämpftes Sprechen jedoch ziemlich anstrengend für die Stimme ist, wie Sie sicher aus eigener Erfahrung wissen, sollte nur bei kurzen Einsätzen „geflüstert“ werden. Und jetzt: Pscht! Der Rest ist vertraulich…